Interview mit Robert Klaus,

Leiter Oberste Bauaufsicht Hamburg,

zum Forschungsvorhaben MBO2BIM

 

Robert Klaus ist Architekt und Abteilungsleiter der Obersten Bauaufsicht in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen in Hamburg. Zusammen mit weiteren Projektpartnern ist er am Forschungsvorhaben MBO2BIM beteiligt. Im Interview mit BIM Deutschland spricht er über die Zukunft des BIM-basierten Bauantrags.

Herr Klaus, seit Anfang des Jahres ist der digitale Bauantrag in Hamburg verpflichtend. Mit dem Forschungsvorhaben MBO2BIM arbeiten Sie seit 2021 an der Entwicklung von Standardisierungen für die automatisierte Prüfung bauordnungsrechtlicher Anforderungen mit BIM-basierten Prüfwerkzeugen. Wie groß ist der Schritt vom digitalen zum BIM-basierten Bauantrag?

Wir sind in Hamburg ein bisschen früher und anders gestartet als einige andere Bundesländer, so dass wir uns derzeit noch nicht am EfA-Onlinedienst beteiligen und beispielsweise ein eigenes Fachverfahren haben. Wir haben einen eigenen Weg beschritten, um nicht nur den digitalen Bauantrag, sondern das digitale, vollelektronische Baugenehmigungsverfahren zu implementieren. Diesen Prozess von A bis Z zu digitalisieren, das ist aus meiner Sicht eine essenzielle Voraussetzung für alle weiteren Schritte. Dazu zählt auch BIM. Das haben wir in Hamburg zum Anfang dieses Jahres abgeschlossen. Wir haben dazu eine verpflichtende elektronische Einreichung von Bauanträgen eingeführt, damit wir wirklich sicherstellen, dass wir keinen zusätzlichen Digitalisierungsaufwand erzeugen und medienbruchfrei arbeiten können. Mittlerweile haben wir eine elektronische Einreichungsquote von quasi 100 Prozent.

Darauf sind wir natürlich sehr stolz; auch darauf, dass wir jetzt Bescheide elektronisch siegeln und bekanntgeben können. Allein aus der Erfahrung des letzten Jahres heraus war dieser Erfolg mit einem hohen Aufwand erkauft und stellte für alle Beteiligten eine anspruchsvolle Aufgabe dar.

Gleichwohl sind diese Vorarbeiten, das gesamte Verfahren zunächst komplett zu digitalisieren, notwendig, damit wir mit dem BIM-basierten Bauantrag überhaupt eine weitere Dimension an Komplexität in das digitale Baugenehmigungsverfahren aufnehmen können. – Der nächste Schritt zum BIM-basierten Bauantrag bleibt dennoch ein Quantensprung, den wir aktiv gestalten wollen.

Was ist dafür nötig?

Hierfür mussten wir teilweise noch Grundlagen erarbeiten. So haben wir beispielsweise im Auftrag der Bauministerkonferenz  in einem Forschungsvorhaben analysiert, inwieweit die Anforderungen aus der Musterbauordnung in einem digitalen Modell geprüft werden können. Dieses Projekt konnten wir im letzten Jahr abschließen und ich kann Ihnen sagen: Es hat geklappt!

Im Ergebnis wurde u.a. eine Modellierungsrichtline, zur maschinenlesbaren Auswertung von Merkmalen im Gebäudemodell entworfen, die für Interessierte frei verfügbar ist.

Jetzt wollen wir einen Schritt weitergehen und mit echten Pilotprojekten starten. Wir wollen damit zeigen, dass das Konzept auch wirklich im Vollzug funktioniert. Dies wird großer Schritt für uns, denn wir wollen alle Beteiligten auf diesem Weg mitnehmen. Auch wenn es mit dem Blick einer Aufsichtsbehörde verlockend erscheinen mag, kann dieser Change-Prozess nicht einfach von oben durchgedrückt werden. Hier müssen sowohl das Verständnis als auch die Begeisterung aus der breiten Masse der Anwendenden im Sinne einer Graswurzelbewegung wachsen.

Um hierzu für das notwendige Vertrauen zu sorgen, liegt mir das Thema der praxisnahen Erprobung besonders am Herzen.

Was wird die Einführung des BIM-basierten Bauantrags für Prüfbehörden und Antragstellende bedeuten? Inwiefern wird der Prozess mit Mehraufwand einhergehen? Welche Mehrwerte stehen dem gegenüber?

Ein Anschub in der Digitalisierung bedeutet natürlich im Start auch Mehraufwand. Das möchte ich nicht verhehlen. Nichtsdestotrotz erwarten wir uns am Ende Synergien, wenn die Prozesse eingespielt sind und wir entsprechend des jeweiligen technischen Reifegrades der Verwaltung aus BIM-Modelle Prüftestate erzeugen oder diese sogar als echte Bauvorlagen einsetzen können.

Wir sind damit beim Thema Medienbruchfreiheit 2.0 angekommen. Das digitale Gebäudemodell, das mehr und mehr ohnehin erstellt wird, wollen wir direkt in den Prüfungsvorgang überführen, idealerweise unter Einsparungen in der Leistungsphase 4 - der Genehmigungsplanung; aber auch auf Seiten der Verwaltung, vielleicht durch assistierte Prüfungen: Was wäre, wenn sich bestimmte Routineprüfungen am BIM-Modell perspektivisch mit Unterstützung der Technik bewerkstelligen ließen? Diese Regelfälle könnten damit, und das ist unser Ziel, deutlich einfacher und schneller abgearbeitet werden. Die Kolleginnen und Kollegen der Bauaufsicht würden sich darum entlastet noch besser auf die Prüfung und Bescheidung der Sonderfälle konzentrieren und Ermessensentscheidungen vorbereiten und treffen können.

Welche Rolle soll der BIM-basierte Bauantrag in Zukunft im Bauprozess einnehmen?

Die Definition der Rolle bzw. des Umfangs des Einsatzes von digitalen Gebäudemodellen soll Gegenstand unserer Praxiserprobung werden: Wollen wir das BIM-Modell ganz oder nur in Teilen übernehmen bzw. darin selber prüfen oder eingeschränkte Prüfautomatismen zur Anwendung bringen. Teil unseres laufenden Projekts ist es, herauszufinden, was wann und für wen mehr Sinn macht.

Wir werden uns dabei natürlich an den Bedarfen der Bauwirtschaft orientieren. Soweit diese selbest mit den Modellen arbeitet, wollen wir das unterstützen. So wollen wir vom vermeintlichen Verfahrensstolperstein zur Autobahn auf dem Weg zur Realisierung eines Bauvorhabens werden.

Möglichst alle Planungsinstrumente, die derzeit Verwendung finden, sollten für den Prozess der Antragstellung, Prüfung und Genehmigung nutzbar gemacht werden. Darin sehen wir einen tatsächlichen Mehrwert, um letztlich auch schlankere Prozesse für die Entwurfsverfasser und die Verwaltung gleichermaßen zu erreichen. BIM-Methodik und -Modell sind für uns Chance und nicht Selbstzweck.

Diesen Mehrwert, den insbesondere die instututionellen Eigentümer, Bauherrn und Betreiber erkannt haben, wollen wir verstärken.

Wenn zum Beispiel ein Betreiber sagt: „Ich brauche ein BIM-Modell, weil ich damit künftig noch etwas im Rahmen des Facility Managements anfangen möchte.“, dann kann die Verwaltung ihm hoffentlich bald vermitteln, dass er im Betrieb gerne auch die wiederkehrenden Prüfungen von Bauteilen und Anlagen über eben jenes Modell abbilden kann.

Ebenso verhält es sich mit den bautechnischen Nachweise, der Nachweisung der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz auf Baustellen, der Unterlage für spätere Arbeiten, die Wiederverwendbarkeit von Baustoffen, und und und … wir sollten hier prozedural den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes und die zum jeweiligen Zeitpunkt erforderlichen Kollaborationen in BIM denken.

Setzt der BIM-basierte Bauantrag auf herstellerneutrale Schnittstellen wie IFC und BCF?

Auf jeden Fall ist für uns die technische Umsetzung als Open Source gesetzt. Wir wollen den Markt nicht beschränken, sondern wir wollen eine möglichst große Reichweite erzeugen. Insofern sehen wir natürlich offene Standards und herstellerneutrale Schnittstellen.

Sollte der BIM-basierte Bauantrag verpflichtend eingeführt werden?

Ich persönlich sehe den BIM-basierten Bauantrag zunächst als Alternative, als zusätzliches Angebot der Verwaltung. Daher würde ich dessen Verwendung aktuell nicht verpflichtend machen. Schließlich gibt es sehr unterschiedliche Bedürfnisse der Bauherrenschaft im Rahmen der Bauantragstellung. Als Architekt habe ich bis vor Kurzem selber noch auf Skizzenrolle Konzepte gekritzelt und kann insofern von überzogenen Formvorgaben, welche die kleineren Bauvorhaben der vorwiegend privaten Häuslebauer außer Acht lassen, nur warnen. Für institutionelle Bauherrn bzw. Projektentwickler hingegen könnte und wird sich meiner Meinung nach der BIM-basierte Ansatz mittel- bis langfristig als der bessere herausstellen.

Was bedarf es noch für eine erfolgreiche Einführung des BIM-basierten Bauantrags? Welchen Beitrag kann BIM Deutschland hierfür leisten?

Ich glaube, wir brauchen Motivatoren, und zwar auf allen Seiten: Bauherren, Entwurfsverfasser und die digital afffine technische Verwaltung. Hier kann BIM Deutschland einen wertvollen Beitrag leisten, die Ansprache suchen, in die Vermittlung gehen, den nötigen Changeprozess aus einer Metaebene heraus fördern – um ein Dach zu bilden. Darauf setze ich gerade große Hoffnung und glaube, dass dies ein wertvoller Beitrag von BIM-Deutschland wäre.

Aber auch das Vernetzen von Interessierten: Denn wenn es um das Zusammenführen der jeweiligen Verwaltungsleistung, also der Fachlichkeit, mit den Digitalisierungsbegeisterten geht, sind wir noch nicht abschließend vernetzt. Da könnten wir ein bisschen intensiver zusammenkommen um somit noch schlagkräftiger zu werden.

Nicht zuletzt das Thema Best Practice: Tue Gutes und sprich drüber! Akzeptiert wird, was nachweislich gut funktioniert.

Herr Klaus, Ihrer Einschätzung nach – wann kommt der BIM-basierte Bauantrag?

Wir sind gerade in der Projektanlaufphase und suchen nach geeigneten mit der BIM-Methodik geplanten Pilotvorhaben, auf die wir aufbauen können. Unser Wunsch ist, dass wir 2025 die erste echte Baugenehmigung auf Grundlage eines BIM-basierten Bauantrags abbilden können.

Wann das Verfahren dann in den Regelbetrieb gehen wird, hängt dabei maßgeblich von der Akzeptanz und Begeisterung aller Akteure ab.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Klaus!

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