BIM-Anwendungsfälle

Standardisierte BIM-Anwendungsfälle für eine einheitliche Umsetzung

Die Einführung von BIM erfordert ein gemeinsames Verständnis von Prozessen, die innerhalb eines Projekts digital unterstützt und optimiert werden können. Ein zentraler Bestandteil dieser Implementierung sind die BIM-Anwendungsfälle (AwF), die definieren, wie und zu welchem Zweck BIM in verschiedenen Phasen eines Bauprojekts eingesetzt wird.

Um eine einheitliche und strukturierte BIM-Implementierung im öffentlich Bau in Deutschland zu fördern und bestehende Ansätze zu harmonisieren, hat BIM Deutschland einen Mustersteckbrief sowie eine harmonisierte Liste von Anwendungsfällen entwickelt.

 

Was sind BIM-Anwendungsfälle?

Ein BIM-Anwendungsfall beschreibt einen spezifischen Prozess, der durch BIM-Methoden, -Technologien und -Daten unterstützt wird. Er definiert:

  • Ziele und Nutzen des jeweiligen Anwendungsfalls
  • Beteiligte Akteure und deren Verantwortlichkeiten
  • Benötigte Daten und Modelle
  • Prozesse und Arbeitsabläufe
  • Erwartete Ergebnisse und Schnittstellen zu anderen Anwendungsfällen

BIM-Anwendungsfälle erstrecken sich über sämtliche Projektphasen – von der Planung über den Bau bis hin zum Betrieb und Rückbau eines Bauwerks.

 

Harmonisierung durch eine standardisierte Methodik

Um eine einheitliche und strukturierte Anwendung von BIM-Anwendungsfällen sicherzustellen, wurde durch BIM Deutschland eine harmonisierte Methodik entwickelt. Diese umfasst:

  • Einen Mustersteckbrief mit obligatorischen und optionalen Bestandteilen zur strukturierten Beschreibung der Anwendungsfälle
  • Eine harmonisierte Liste mit 21 Hauptanwendungsfällen, die eine standardisierte Nomenklatur und Nummerierung enthält

Diese Struktur wurde in enger Abstimmung mit den zuständigen Ministerien und den Fachbereichen Straße, Schiene, Wasser sowie Bundesbau erarbeitet. Die harmonisierte Liste bildet die Grundlage für eine fachbereichsspezifische Ausarbeitung und dient als Referenz für die Erstellung einer einheitlichen Muster-AIA (Auftraggeber-Informationsanforderung).

 

Die 21 Hauptanwendungsfälle – Einheitliche Struktur für Praxis und Standardisierung

Die 21 Hauptanwendungsfälle decken ein breites Spektrum von BIM-Anwendungen ab, darunter:

  • Modellbasierte Bauwerksplanung (z. B. Architektur, Tragwerksplanung, Planung der technischen Gebäudeausrüstung (TGA)), Kollisionsprüfung und Modellkoordination
  • Bauausführung und Baustellenlogistik
  • Digitale Bauwerksüberwachung und Qualitätssicherung
  • Bauwerksbetrieb und Facility Management

Durch die Standardisierung dieser Anwendungsfälle wird sichergestellt, dass BIM-Prozesse effizient, konsistent und interoperabel gestaltet werden – unabhängig von Projekt, Organisation oder Fachbereich.

Im Folgenden finden Sie eine Übersicht der 21 Hauptanwendungsfälle mit einer kurzen Beschreibung:

 

000 Grundsätzliches

Unter „Grundsätzliches“ können je nach Maßnahmenträger bei Bedarf weitere bzw. übergreifende Anwendungsfälle in der Struktur abgebildet werden, die die Grundlagen für den Einsatz für die Beauftragung der Anwendungsfälle bilden (z. B. AIA, BAP, Projektbesprechungen betreffend).

010 Bestandserfassung und -modellierung

Erfassung der wesentlichen Aspekte des Bestandes durch ein geeignetes Aufmaß und Überführung in ein Bestandsmodell.

020 Bedarfsplanung

Erstellen eines generischen Bedarfsmodels/einer digitalisierten Aufstellung einer Bedarfsplanung nach Muster 13 RBBau (Raumbedarfsplan), z. B. digitales Raumbuch und die digitale Umsetzung der Beschaffungsvariantenuntersuchung.

030 Planungsvarianten bzw. Erstellung haushaltsbegründender Unterlagen*

Erstellung von Planungsvarianten als BIM-Modell zur Vereinfachung der Analyse und  Bewertung hinsichtlich Kosten, Terminen, baulich-konstruktiver Gestaltung bzw. Qualitäten. Nutzung der Methode BIM z. B. im Rahmen der Aufstellung der ES-Bau/EW-Bau oder der Voruntersuchung und des Entwurf-HU. Möglich sind in diesem Zusammenhang beispielweise eine modellbasierte Untersuchung von Planungsvarianten, eine vereinfachte Mengen- und Kostenermittlung oder die Initiierung eines modellbasierten Vergabeverfahrens (ggf. mit Planungswettbewerb). **

 

 

**  Abhängig vom Fachbereich kann entweder der Begriff „Planungsvarianten“ oder „Erstellung haushaltsbegründender Unterlagen“ gewählt werden Abhängig vom Fachbereich und der Auswahl der AWF-Bezeichnung trifft die erste Beschreibung bei den „Planungsvarianten“, die zweite bei der „Erstellung haushaltsbegründender Unterlagen“

040 Visualisierung

Bedarfsgerechte Visualisierung unter Zuhilfenahme der BIM-Modelle, ergänzt um weitere Objekte und Informationen und/oder grafisch aufbereitet als Basis für die Projektkommunikation (z. B. visuelle Aufbereitung von Bauteilen) oder Öffentlichkeitsarbeit (fotorealistische Abbildungen, Animationen u. a.)

050 Koordination der Fachgewerke

Regelmäßiges Zusammenführen der Fachmodelle in einem Koordinationsmodell mit anschließender automatisierter Kollisionsprüfung, systematischer Konfliktbehebung und Prüfung weiterer Kriterien.

060 Planungsfortschrittskontrolle und Qualitätsprüfung

Nutzung des Modells für die Planungsfortschrittskontrolle als Grundlage des Controllings sowie die Durchführung der Qualitätsprüfung inkl. der Abnahme der Leistung in den vordefinierten Meilensteinen sowie Planungsfreigabe durch den Auftraggeber.

070 Bemessung und Nachweisführung

Nutzung des Modells für Bemessung und Nachweisführung, einschließlich etwaiger Simulationen wie Überflutung, Lärm- und Schadstoffausbreitung etc. Der Anwendungsfall deckt sowohl rechnerische als auch organisatorische, termin- und sicherheitsrelevante Aspekte ab.

080 Ableitung von Plan unterlagen

Ableitung relevanter Teile der Planung aus dem Bauwerksdatenmodell und Überführung in 2D-Planformate. Maßstab, Darstellung und Planinhalte entsprechen hierbei den jeweiligen Richtlinien und Regelwerken bzw. Projektanforderungen.

090 Genehmigungsprozess

Durchführung der Prüfläufe zur behördlichen/ hoheitlichen Freigabe der Planung, Prüfung, Genehmigung auf Basis von BIM-Modellen und den daraus abgeleiteten, zusätzlich erforderlichen Unterlagen unter Beachtung regulativer Vorgaben.

100 Mengen- und Kostenermittlung

Ermittlung strukturierter und bauteilbezogener Mengen (Volumen, Flächen, Längen, Stückzahlen) anhand des Modells und Aufstellung der Kostenschätzungen und -berechnungen nach üblichen Kostengliederungen (AKVS, VV-WSV 2107, DIN 276-4 etc.)

110 Leistungsverzeichnis, Ausschreibung, Vergabe

Modellgestütztes Erzeugen mengenbezogener Positionen des Leistungsverzeichnisses sowie modellbasierte Ausschreibung, Vergabe und Angebotsabgabe auf Basis der vorliegenden Planung.

120 Terminplanung der Ausführung

Nutzung eines durch Verknüpfung von Vorgängen der Terminplanung mit den zugehörigen Modellelementen erstellten 4D-Modells zur Darstellung und Überprüfung des geplanten Bauablaufs.

130 Logistikplanung

Unterstützung der Planung und Kommunikation von Logistikabläufen (Baustelleneinrichtung, Baustelleninfrastruktur, Verkehrsphasen, Verkehrsführung) auf Basis von 4D-Modellen.

140 Baufortschrittskontrolle

Nutzung des Modells für die terminliche Baufortschrittskontrolle als Grundlage des Projekt-Controllings.

150 Änderungs- und Nachtragsmanagement

Nutzung des Modells zur Dokumentation, Nachverfolgung und Freigabe von Planungsänderungen während der Bauausführung und zur Erfassung von Nachträgen.

160 Abrechnung von Bauleistungen

Nutzung des Modells zur regelmäßigen Dokumentation und zur Plausibilisierung von Bauleistungen und Abschlagsrechnungen.

170 Abnahme- und Mängelmanagement

Nutzung des Modells zur Verortung und Dokumentation von Ausführungsmängeln und deren Nachverfolgung zur Behebung sowie zu klärender Punkte.

180 Inbetriebnahmemanagement

Digitale, modellbasierte Unterstützung der Aufgaben des Inbetriebnahmemanagements von der Planungsphase, über die Bauausführung bis hin zur Übergabe in den bestimmungsgemäßen Betrieb. Ein Fokus liegt hierbei bereichsspezifisch v. a. auf der Technischen Gebäudeausstattung oder der Leit- und Steuerungstechnik.

190 Projekt- und Bauwerksdokumentation

Erstellung eines Wie-gebaut-Modells als „digitale Bauwerksakte“ mit detaillierten Informationen zur Ausführung, z. B. verwendete Materialien und Produkte sowie ggf. Verweise auf Prüf- protokolle und weitere Dokumente. Einbindung weiterer Informationen und  Dokumentationen, z. B. kaufmännischer Dokumentationen.

200 Nutzung für Betrieb und Erhaltung

Übernahme von Daten aus dem Wie-gebaut-Modell in entsprechende Systeme des Erhaltungsmanagements, Darstellung und ggf. Bewertung des Bauwerkszustandes im Modell sowie Aktualisierung des Modells im Falle von Instandsetzungsmaßnahmen.

Praxisrelevanz und Anwendung der BIM-Anwendungsfälle

Die BIM-Anwendungsfälle dienen als praktische Leitlinie für alle Akteure in BIM-Projekten. Sie ermöglichen:

  • Einheitliche und verständliche Vorgaben für alle Beteiligten
  • Verbesserte Vergleichbarkeit zwischen Projekten und Organisationen
  • Effiziente und transparente Zusammenarbeit
  • Optimierung der BIM-gestützten Prozesse

Zur Unterstützung der BIM-Anwendungsfälle wurden praxisnahe Beispiele und Steckbriefe entwickelt. Diese bieten eine wertvolle Orientierungshilfe und zeigen, wie sich die standardisierten Anwendungsfälle konkret in Bauprojekten umsetzen lassen.

 

Integration in bestehende Normen und Standards

Die BIM-Anwendungsfälle bilden eine zentrale Grundlage für die Erarbeitung der VDI-DIN-Expertenempfehlung (VDI-DIN-EE 2552, Blatt 12.1 Anwendungsfälle). Ziel der Expertenempfehlung ist es, ein „[…] einheitlich(s) Verständnis und die entsprechende Struktur […]“ für die Arbeit mit BIM-Anwendungsfällen in der Wertschöpfungskette Bau zu schaffen. Im Gegensatz zu einer Richtlinie dient eine Expertenempfehlung als Vorstufe zu einer VDI-Richtlinie. Sie ermöglicht eine schnelle fachliche Kommunikation mit der Öffentlichkeit, erhebt jedoch keinen Anspruch darauf, eine anerkannte Regel der Technik zu sein.

Zusätzlich werden die standardisierten BIM-Anwendungsfälle in das BIM-Portal integriert, um ihre breite Nutzung und Verankerung in zukünftigen BIM-Projekten sicherzustellen.

 

Im Auftrag von:

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