Herr Friauf, die Strategie zur „Implementierung von BIM im Vorstandsressort Infrastruktur“ teilt sich in drei Phasen auf: Konvergenz, Digitale Kompetenz und Digitale Transformation. Mit dem Jahr 2025 wurde die dritte Phase eingeläutet: die Digitale Transformation. In dieser sollte BIM nicht mehr als neue Methode wahrgenommen werden, sondern sich als das neue „Normal“ etabliert haben. Würden Sie sagen, dass dies bereits erreicht wurde?
Die Anwendung der BIM-Methodik gilt im Planungsbereich mittlerweile als das neue „Normal“. Allerdings wurden die drei Phasen, wie sie in der aktuellen BIM-Strategie dargestellt sind, noch nicht vollständig erreicht. In den vergangenen Jahren haben wir erkannt, dass die Umsetzung deutlich komplexer ist als ursprünglich angenommen. Wir befinden uns hier noch mitten im Prozess. Mit den bisher gewonnenen Erkenntnissen überarbeiten wir derzeit die aktuelle BIM-Strategie. Diese Neuausrichtung soll bis Ende August abgeschlossen sein.
Welche Herausforderungen und Risiken stehen in der dritten Phase „Digitale Transformation“ im Vordergrund?
Die zentrale Herausforderung besteht darin, einen Weg zu finden, wie die gewonnenen Daten und Informationen den Betreibenden einer Infrastrukturanlage effektiv zugutekommen können. Ziel ist es, das Potenzial der BIM-Methodik im Bereich Planung und Bau zu nutzen, um die Effizienz in der Instandhaltung deutlich zu steigern. Dabei liegt ein wesentliches Risiko in der sicheren, strukturierten und nachhaltigen Verwaltung der mit BIM erzeugten Datenmengen, insbesondere unter Berücksichtigung von Datenschutz und IT-Sicherheit. Zudem können organisatorische Widerstände auftreten, da BIM etablierte Arbeitsweisen und Strukturen infrage stellt. Ein professionelles Veränderungsmanagement ist daher unerlässlich, um die Akzeptanz und erfolgreiche Integration sicherzustellen. Dieser Transformationsprozess erfordert Zeit und kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden.
Welche zentralen Meilensteine wurden in den vorherigen Phasen „Konvergenz“ und „Digitale Kompetenz“ erreicht, um die Basis für diese dritte Phase zu schaffen?
Im Zuge der vorherigen Phasen wurden verbindliche Standards etabliert. Diese verfolgen das Ziel, die Effizienz zu steigern und die Qualität nachhaltig zu sichern. Arbeitsabläufe werden dadurch optimiert und vereinfacht. So werden beispielsweise die Anlagenverantwortlichen bereits in die Planung von BIM-Projekten eingebunden, um langfristig auch in der Instandhaltung bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.
Damit die dritte Phase erfolgreich umgesetzt werden kann, müssen die Prozesse im Anlagenmanagement aber weiter ausgearbeitet werden, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung der gewonnenen Daten und Informationen. Diese Aspekte sollen in der überarbeiteten, zukunftsorientierten Strategie fest verankert werden.
Um einmal in die Praxis zu blicken: Können Sie uns ein aktuelles Infrastrukturprojekt der Deutschen Bahn beschreiben, bei dem BIM erfolgreich genutzt wird? Was sind dabei die größten Gewinne durch den Einsatz von BIM?
Gerade bei komplexen Vorhaben zeigt sich insbesondere in der Planungsphase die volle Stärke von BIM. Bei der Deutschen Bahn kommt BIM mittlerweile in zahlreichen Projekten zum Einsatz. Über 1.500 Vorhaben werden aktuell damit bearbeitet – dazu zählen insbesondere die Projekte zur Modernisierung von Empfangsgebäuden der Personenbahnhöfe der DB InfraGO AG. Auch im Hochbau der Bahn wird BIM intensiv genutzt, etwa für digitale Planungsbesprechungen, die Visualisierung des Soll-Zustands, präzise Vermessungen sowie den Einsatz von Bauteilbibliotheken. Und auch in Infrastrukturprojekten, wie beispielsweise bei Brücken oder Tunneln, entfaltet die BIM-Methode heute schon ihr Potenzial.
Im Rahmen der Strategie werden ebenfalls übergreifende Chancen der Implementierung von BIM beschrieben – unter anderem die schnellere und zuverlässigere Bereitstellung der Infrastruktur, das Anziehen von Fachkräften durch ein innovativeres Image und das aktive Mitgestalten internationaler Standards. Welche Chancen konnten Ihrer Einschätzung nach bereits realisiert werden, und wo gibt es zukünftig das größte Potenzial?
Die vollständigen Vorteile der BIM-Methodik lassen sich derzeit noch nicht abschließend beurteilen, da viele Projekte der Deutschen Bahn umfangreich und langfristig angelegt sind. Schon jetzt zeigt sich jedoch deutlich, dass BIM in der Planungs- und Ausführungsphase erhebliche Mehrwerte bietet. So können zum Beispiel Planungsfehler und Kollisionen frühzeitig erkannt und behoben werden. Der Einsatz digitaler Werkzeuge ermöglicht zudem eine präzisere und qualitativ hochwertigere Planung. Durch die Simulation von Bauabläufen wird außerdem die Ausführung effizienter und besser koordiniert. Und exakte Mengenermittlungen sowie strukturierte Ausschreibungen schaffen eine verlässlichere Kostenkalkulation.
Das größte Potenzial entfaltet BIM allerdings im dritten Abschnitt des Lebenszyklus einer Infrastrukturanlage: dem Betrieb. Denn eine durchgängige Datenverfügbarkeit über den gesamten Lebenszyklus hinweg führt zu mehr Effizienz beim Planen, Bauen und Betreiben. Hier spielt der sogenannte zukünftige Digitale Zwilling eine zentrale Rolle. Durch die aktive Mitgestaltung nationaler und internationaler Standards und Normen nimmt die Deutsche Bahn AG zudem eine Schlüsselrolle bei der verlustfreien Datenübertragung ein.
Wir danken Candy Friauf für die wertvollen Einblicke und die spannenden Perspektiven zur Weiterentwicklung von BIM bei der Deutschen Bahn.