Der Beirat berät das Kompetenzzentrum BIM Deutschland bei fachlichen Fragestellungen und fungiert als Schnittstelle zwischen Baupraxis und Politik. Im Beirat sind alle relevanten Rollen der Wertschöpfungskette Bau vertreten. Durch die weitreichende und exzellente Praxiserfahrung seiner Mitglieder unterstützt der Beirat die Implementierung der Digitalisierung im Bauwesen und ist ein wichtiger Impulsgeber.
Weitere Informationen zum Beirat und seinen Mitgliedern finden Sie auf der Webseite von BIM Deutschland.
In dieser Ausgabe stellen wir Ihnen das Beiratsmitglied Katrin Schneider vor, Leitende Technische Regierungsdirektorin und Leiterin der Unterabteilung Technik der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt
Steckbrief
Name: Katrin Schneider
Beruf: Leitende Technische Regierungsdirektorin und Leiterin der Unterabteilung Technik der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt
Rolle im Beirat: Bauherr Bund (Wasserstraßen)
Beiratsmitglied seit: 30.09.2021
Liebe Frau Schneider, im Beirat von BIM Deutschland verantworten Sie den Bereich der Wasserstraßen. Zudem sind Sie als Leiterin der Unterabteilung Technik der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt mitten im Geschehen und wissen, wie es um die Implementierung von BIM in diesem Bereich steht.
Wo sehen Sie derzeit die größten strukturellen und prozessualen Herausforderungen bei der flächendeckenden Einführung von BIM entlang des gesamten Lebenszyklus von Wasserstraßeninfrastruktur – insbesondere im Hinblick auf Datenstandardisierung, Bestandserfassung und interoperable CDE (Common Data Environment)-Strukturen?
Vielen Dank das Sie mir die Gelegenheiten geben, Ihre Fragen aus der Perspektive der Wasserstraßen und Schifffahrtverwaltung des Bundes (WSV) zu beantworten.
Die Herausforderungen für die flächenendeckende Einführung von BIM gestalten sich sehr vielfältig. Auf einige Punkte gehe ich hier gerne ein, wobei die Aufzählung nicht abschließend ist:
Was wir unter BIM verstehen. Einerseits ist die Verwaltung selbst gefragt und so ist erst einmal ein gemeinsames Grundverständnis aufzubauen. Die an den Pilot- und Erfahrungsprojekten beteiligten Beschäftigten der WSV mussten und müssen durch Schulungen zeitnah BIM-Wissen aufbauen und dieses stets weiterentwickeln. Hierfür werden sie durch die Projektgruppe BIM und Beratende geschult. Schwerpunkt der Schulungen stellt daher stets die Vermittlung einheitlicher BIM-Grundlagen in Verbindung mit einem WSV-einheitlichen Vorgehen bei BIM-Planungen dar.
Diese Herangehensweise ist gleichzeitig auch bei allen weiteren Prozessbeteiligten wie z. B. Ingenieurbüros und Bauunternehmen aufzubauen, um eine gemeinsame Kommunikation und eine gleiche Priorisierung sicher zu stellen.
- Wichtig für alle am Prozess Beteiligten ist eine sichere und definierte Arbeitsumgebung. Daten, Informationen müssen ermittelt, bereitgestellt, ausgetauscht, geprüft werden und für die Arbeiten auf den Baustellen zur Verfügung stehen. Voraussetzung hierfür ist die Verfügbarkeit leistungsfähiger und sicherer Server, Rechner, Workstations sowie geeigneter Hardware auf den Baustellen. Dabei spielt die sichere, flächendeckende und schnelle Datenübertragung eine zentrale und immer wichtigere Rolle.
- Bei der Definition einer CDE und deren Leistungsumfang bestehen bei den zahlreichen Stakeholdern im Bereich BIM noch sehr unterschiedliche Auffassungen. Wir sind dabei ein gemeinsames Zielbild für eine CDE-WSV zu entwickeln, in dem u. a. festzulegen ist, welche Interoperabilitäten (z.B. Software und digitale Datenhaltungssysteme) erforderlich sind. Mit weiteren Infrastrukturbetreibenden sind wir im engen Austausch, inwieweit die Entwicklung einer einheitlichen CDE umsetzbar und sinnvoll ist. Gerade im Sektor Infrastruktur mit seinen vielen Projekten, mit Überschneidungen zwischen den Betreibenden, könnten bei einer gemeinsamen Entwicklung erhebliche Synergieeffekte genutzt werden.
Eine wesentliche Grundlage für die Interoperabilität ist das Thema Datenstandards. Als Auftraggeber der öffentlichen Hand sind wir an die Nutzung von herstellerneutralen Datenformaten gebunden. Als problematisch stellt sich dabei heraus, dass nicht alle Programmherstellende offene Datenformate vollständig umsetzen.
Selbst innerhalb von Softwareanbietenden bestehen Interoperabilitätsprobleme zwischen den einzelnen Softwareprodukten, so dass nicht mal hier ein korrekter Datenaustausch sichergestellt werden kann. Vorgenannte Probleme sind bereits an die Herstellenden adressiert, jedoch ohne dass bislang konkrete Lösungen zu deren Behebung vorgeschlagen worden sind.
2022 wurde die „Implementierungsstrategie BIM-WSV 2030“, auch „BIM-Masterplan für die Wasserstraße“ veröffentlicht. Darin sind drei verschiedene Phasen formuliert, in denen die Implementierung von BIM in der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes erfolgen soll. In der zweiten Phase, die bis 2025 angesetzt ist, sollen laut dieser Strategie die „Anwendung der BIM-Methode ausgeweitet und personalisiert werden“. BIM soll demnach an diesem Punkt für mehr und komplexere Bauwerke sowie auf weitere Anwendungsfälle angewendet werden.
Welche konkreten Erkenntnisse konnten Sie bislang aus Phase I gewinnen – insbesondere in Bezug auf die Skalierbarkeit der Methode, die Standardisierung von Bauteilkatalogen und Geodaten sowie die organisatorische Verankerung von BIM in der Fläche? Und wie können diese Erkenntnisse in Phase II implementiert und sinnvoll genutzt werden?
Die drei Stufen der Implementierung, für die jeweils ein Phasenwechsel erforderlich ist, ist an die Erreichung von Meilensteinen gekoppelt. Diese Entscheidung wurde aufgrund der im Projektverlauf gesammelten Erfahrungen bewusst getroffen. So wurde beispielsweise innerhalb des jeweiligen Pilotierungsumfangs deutlich, dass die bestehende Datenplattform der WSV als täglich zu nutzende gemeinsame Datenumgebung (CDE) in der Zusammenarbeit mit externen Auftragnehmern (noch) nicht nutzbar war und für diese Zwecke erst einmal Programmierungen und Anpassungen am WSV-System durchgeführt werden müssen.
Parallel dazu wurde als Übergangslösung ein Alternativsystem beschafft, für die Arbeiten angepasst und getestet. Hierbei zeigte sich, dass die Entwicklung einer Cloud-Strategie der WSV elementar ist. Ausgesprochen schwierig und langwierig erwiesen sich die geforderten Zertifizierungen der Systeme für einen sicheren Betrieb.
Ab Mitte dieses Jahres werden wir die Evaluierung der Pilot- und Erfahrungsprojekte intensivieren. Dazu haben wir neben den Spezialisten in den Ämtern Expertenkreise verschiedener Fachrichtungen zusammengestellt, die im Sinne von „Best Practices“ Analysen durchführen, um eine Harmonisierung und Standardisierung der wichtigsten Erkenntnisse zusammenzutragen und zu dokumentieren. Allen Beteiligten ist klar, dass diese Arbeit viel Zeit in Anspruch nimmt. Diese Analyse ist jedoch zwingende Voraussetzung, um in die Phasen weiter einsteigen zu können und künftig bei allen weiteren Projekten, über den Lebenszyklus hinweg und innerhalb der WSV einheitlich vorzugehen.
Im Masterplan wird auch die Signifikanz eines interdisziplinären Wissens- und Erfahrungsaustauch genannt. Wie unterstützt BIM Deutschland dabei, Wissen zu sammeln, zu strukturieren und zu teilen? Gibt es Formate, Plattformen oder Prozesse, die sich besonders bewährt haben oder derzeit (weiter-)entwickelt werden?
BIM Deutschland und die WSV unterstützen gegenzeitig. Dabei ist das BIM-Portal die erste Anlaufstelle für unsere Beschäftigten und Stakeholder, um die Merkmale für BIM-Modelle zusammenzustellen. Die WSV ist für den Bereich Wasserbau fachlich verantwortlich und ist damit am Aufbau des BIM-Portals maßgeblich beteiligt und bringt sich inhaltlich voll ein.
Von Seiten der WSV würden wir es sehr begrüßen, wenn das Thema BIM z. B. noch stärker in die Normenarbeit einfließt und verankert wird, um hier ein einheitliches Verständnis von Begriffsdefinitionen zu schaffen und so die Kommunikation zu verbessern. Eine Harmonisierung würde die Standardisierung von Merkmalen und damit die Befüllung und den Nutzungsumfang des BIM-Portals voranbringen, was am Ende Allen an der Wertschöpfungskette Beteiligten erhebliche Vorteile im Zusammenwirken verschafft.
Der interdisziplinäre Austausch unter den Verkehrsträgern könnte zur Verbesserung des gemeinsamen Verständnisses zur Klärung von Harmonisierungs- und Standardisierungsfragen noch stärker gefördert und verstetigt werden. Wir als WSV stehen für den Austausch gerne bereit und unterstützen den BIM-Prozess nach Kräften.
Zwar liegt noch einiges an Wegstrecke vor uns, doch wir haben bereits sehr viel erreicht.