Der Beirat berät das Kompetenzzentrum BIM Deutschland bei fachlichen Fragestellungen und fungiert als Schnittstelle zwischen Baupraxis und Politik. Im Beirat sind alle relevanten Rollen der Wertschöpfungskette Bau vertreten. Durch die weitreichende und exzellente Praxiserfahrung seiner Mitglieder unterstützt der Beirat die Implementierung der Digitalisierung im Bauwesen und ist ein wichtiger Impulsgeber.
Weitere Informationen zum Beirat und seinen Mitgliedern finden Sie auf der Webseite von BIM Deutschland.
In dieser Ausgabe stellen wir Ihnen das Beiratsmitglied Gilbert Peiker vor, Referatsleiter für Netzplanung und Digitalisierung Straßeninfrastruktur, Straßenbaupolitik im Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr.
Steckbrief:
Name: Gilbert Peiker
Beruf: Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr
Rolle im Beirat: Bauherr Bund (Straßenbau)
Beiratsmitglied seit: 2022
1. Herr Peiker, als Vertreter des Straßenbaus im Beirat von BIM Deutschland bringen Sie die Perspektive eines zentralen Infrastrukturbereichs in die Gremienarbeit ein. Vor diesem Hintergrund: Welche spezifischen Chancen, aber auch Herausforderungen, sehen Sie aktuell bei der Anwendung von BIM im Straßenbau?
BIM ist ein mächtiger Schritt in der digitalen Transformation des Bauwesens. Gerade im Straßenbau eröffnen sich große Chancen bei der Optimierung von Planungsprozessen hinsichtlich der Planungsqualität und Bauvorbereitung. Durch den gemeinschaftlichen Zugriff auf ein koordiniertes Gesamtmodell – basierend auf geprüften Fachmodellen – wird eine einheitliche Datenbasis („Single Source of Truth“) geschaffen, die unter anderem eine effiziente Kollisionsprüfung ermöglicht. Die daraus abgeleiteten 3D-Visualisierungen unterstützen zusätzlich Beteiligungsprozesse durch bessere Verständlichkeit und Transparenz. Ein von einer Planung betroffener Bürger kann sich bei einer 3D-Darstellung viel leichter vorstellen, was auf ihn zukommt als beim Studieren von technischen 2D-Plänen. Und bei BIM im Bauprozess denke ich an automatisierte Massenermittlungen und letztendlich an die Abrechnung am As-built-Modell. Die Investition in BIM lohnt sich – trotz der bestehenden Herausforderungen.
BIM ist keine Softwarelösung, sondern ein tiefgreifender Arbeitsprozess, der neue Formen der Zusammenarbeit erfordert. Deshalb ist es entscheidend, alle Beteiligten im Rahmen des Change-Prozesses mitzunehmen und gezielt zu befähigen. BIM without people funktioniert nicht. Zudem brauchen wir einheitliche Standards und zentral bereitgestellte Hilfsmittel. Das BIM-Portal ist ein starker Ansatz – mit zusätzlichem Ausbau, etwa durch fachbereichsbezogene Objektkataloge, kann es noch wirkungsvoller in der Praxis eingesetzt werden.
2. In Ihrer Funktion als Beiratsmitglied bringen Sie nicht nur fachliche Expertise ein, sondern wirken auch an der Weiterentwicklung der BIM-Strategie mit. Wie gelingt es Ihrer Meinung nach, die Erfahrungen aus realen Straßenbauprojekten in die strategische Arbeit des Beirats zu integrieren?
In meiner Rolle als Bauherr Straßenbau bringe ich die Erfahrungen aus realen Straßenbauprojekten in die strategische Arbeit des Beirats ein. Die Straßenbauverwaltung in Bayern ist traditionell sehr stark mit eigenem Personal in Planungs- und Bauprozessen involviert. Ich selbst bin seit über 30 Jahren in diesem Bereich unterwegs und habe – wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen – z. B. beim Planen das ganze Spektrum vom Tuschefüller über die ersten digitalen 2D-Planungen bis hin zu BIM erlebt. Unsere Praxiserfahrungen sind bereits in den Masterplan BIM Bundesfernstraßen und die zugehörigen Begleitdokumente eingeflossen – ein wichtiger Beitrag für eine erfolgreiche und umsetzungsorientierte BIM-Strategie. Und natürlich bleiben wir bei BIM und der digitalen Transformation des Bauwesens nicht stehen. Wir sind im Beirat auf einem sehr guten Weg, die agilen digitalen Veränderungsprozesse im Bauwesen durch die Weiterentwicklung der BIM-Strategie nicht nur zu gestalten, sondern vor allem zu etablieren.
3. Der Digitale Zwilling wird zunehmend als wichtiges Instrument für Planung, Betrieb und Erhalt von Infrastrukturen betrachtet. Welche Bedeutung messen Sie diesem Konzept im Straßenbau auf der Grundlage von BIM bei und gibt es anschauliche Praxisbeispiele für den Digitalen Zwilling im Straßenbau?
Die Besonderheit im Straßenbau ist, dass wir nicht für Nutzerinnen und Nutzer bauen und Gebäude, Bauwerke oder Infrastrukturen nach Abschluss der Bauphase abgeben. Da wir zugleich Bauherr, Nutzende und Betreibende unserer Infrastruktur sind, tragen wir eine dauerhafte Verantwortung über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Um dieser gerecht zu werden, ist auch im Straßenbau die systematische Nutzung der während der Bauphase generierten Daten bedeutend. Für noch bedeutsamer halte ich jedoch die Digitalisierung unserer bestehenden Infrastrukturen, um im gesamten Straßennetz über digitale, aktuelle und standardisierte Grundlagen für anstehende Erhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen zu verfügen. Das ist bei dem von uns in Bayern betreuten, über 20.000 km langen Straßennetz eine große Herausforderung, die wir nur mit hochautomatisierten und KI-gestützten Erfassungsmethoden bewältigen können. Deswegen haben wir einen Forschungsauftrag vergeben. Der Auftrag gliedert sich in zwei Phasen: In einer ersten Phase (Analyse und Konzeption) soll ein Konzept für die BIM-Anwendung im Betrieb, das Datenmanagement sowie die Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen entwickelt werden. In einer zweiten Phase (Evaluierung, Validierung und Standardisierung) soll das entwickelte Konzept in einem Reallabor (BIM-Testfeld Digitaler Zwilling) anhand eines Bundesstraßenabschnitts in Bayern getestet werden. Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse und hoffe, dass wir mit unserer neu ausgerollten und modulartig erweiterbaren Straßeninformationsbank Bayern (SIB-Bayern) bereits eine gute Grundlage für den Digitalen Zwilling im Straßenbau haben.
Wir danken Herrn Peiker herzlich für seine fundierten Einblicke in die spezifischen Herausforderungen und Potenziale von BIM im Straßenbau.
In der kommenden Juni-Ausgabe des BIM Deutschland-Newsletters dürfen Sie sich auf ein spannendes Interview mit Stefanie Radek freuen. Als Leiterin des Kompetenznetzwerks BIM beim Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSH) treibt sie die Digitalisierung im öffentlichen Bauwesen maßgeblich voran. Neben ihrer Rolle als Beiratsmitglied bei BIM Deutschland engagiert sie sich auch als Vorstandsmitglied bei buildingSMART Deutschland. Im Interview teilt sie ihre Perspektiven und Erfahrungen zur Implementierung von BIM und gibt Einblicke in ihre Vision für die Zukunft des digitalen Bauens.
Seien Sie gespannt auf ihre fundierten Einblicke und praxisorientierten Ansätze!