BIM im Planungsbüro: Tipps für einen erfolgreichen Einstieg

Viele Planungsbüros fragen sich, wie sie BIM erfolgreich einführen können – besonders bei öffentlichen Projekten. Im Interview erklären Stephan Weber (Architekt, BAK) und Jörg Thiele (Geschäftsführer iproplan), warum der Einstieg Schritt für Schritt gelingt, aber klare Entscheidungen braucht. Sie sprechen über Pilotprojekte, interne Standards, offene Datenformate – und weshalb BIM kein Softwarethema, sondern ein Kulturwandel ist.

 

Was sind aus Ihrer Sicht die ersten konkreten Schritte, die Planungsbüros angehen sollten, um BIM strukturiert in ihre Planungsprozesse – insbesondere bei Projekten der öffentlichen Hand – zu integrieren?

Jörg Thiele: Der erste Schritt sollte immer eine realistische Bestandsaufnahme sein: Welche digitalen Prozesse existieren bereits? Wie ist der Stand bei Datenstruktur, CAD (Computer-Aided Design)/CAE (Computer-Aided Engineering), Projektmanagement und Kommunikation? Danach gilt es, ein überschaubares Pilotprojekt zu identifizieren – idealerweise mit offenem und kooperativem Auftraggeber. Parallel empfehle ich, eine verantwortliche Person intern zu benennen, die das BIM-Thema strukturiert aufbaut und Wissen bündelt. Ziel muss es sein, Erfahrungen zu sammeln, aus Herausforderungen zu lernen und erste bürointerne Standards zu entwickeln.

Stephan Weber: Genau. Der erste und wichtigste Schritt ist eine Analyse der aktuellen Arbeitsweise. Auf dieser Grundlage ist eine individuelle BIM-Strategie zu entwickeln. Da die Ausgangslage sehr unterschiedlich ist, lassen sich für diesen Prozess keine einheitlichen Schritte festlegen. Einen guten Einstieg bietet aber beispielsweise die Broschüre “BIM FÜR ARCHITEKTEN – Implementierung im Büro” der Bundesarchitektenkammer. 

 

Welche organisatorischen und personellen Voraussetzungen sollten in einem Planungsbüro geschaffen werden, um BIM nicht nur projektbezogen, sondern langfristig als Standard zu etablieren?

Stephan Weber: BIM lässt sich nur dann als Standard etablieren, wenn die Geschäftsführung dies fördert und möglichst viele Mitarbeitende in die neue Arbeitsstruktur einbezieht. Zunächst empfiehlt sich die Durchführung erster BIM-Projekte durch eine büroeigene Pilotgruppe. Anschließend sollten alle neuen Projekte nach den intern entwickelten Modellierungs- und Attributierungsrichtlinien bearbeitet werden. Dabei sind klare Verantwortlichkeiten und eine bürointerne Qualitätssicherung essenziell. Ein langfristiger Erfolg tritt nur dann ein, wenn die Mitarbeitenden selbst von den Vorteilen durch BIM überzeugt sind.

Jörg Thiele: Absolut! Es braucht eine klare strategische Entscheidung der Geschäftsführung für BIM. Denn: BIM ist kein Softwareprojekt, sondern ein Kulturwandel. Anschließend gilt es, Rollen der BIM-Koordination oder des -Managements zu etablieren. Prozesse und Verantwortlichkeiten müssen so gestaltet werden, dass Datenqualität, Zusammenarbeit und Modellpflege zur Routine werden. Schulungen, Weiterbildungen und technische Investitionen sind dafür notwendig.

 

Wo sehen Sie derzeit die größten Hürden bei der Einführung von BIM in kleinen und mittleren Planungsbüros – speziell im Kontext öffentlicher Ausschreibungen?

Stephan Weber: Kleine und mittlere Büros bearbeiten bislang kaum Projekte, bei denen BIM von Bauherrenseite verlangt wird – weder öffentlich noch privat. Der externe Druck fehlt – und damit auch der Anreiz, entsprechende Standards zu entwickeln. Viele schrecken auch vor den Kosten für Hard- und Software sowie personelle Ressourcen zurück. Diese Büros nehmen mangels Erfahrung in der Regel auch nicht an öffentlichen Ausschreibungen teil und laufen Gefahr, den technologischen Anschluss zu verpassen.

Jörg Thiele: Unsicherheit spielt auch eine Rolle. Was wird konkret gefordert? Und was steckt wirklich hinter den Anforderungen in der Ausschreibung? Häufig sind Leistungsbilder unklar formuliert. Einigen Büros fehlen auch die Ressourcen, um sich systematisch einzuarbeiten. Auch wirtschaftlich ist BIM oft schwer kalkulierbar, da anfallende Mehrleistungen in frühen Projektphasen oft nicht angemessen vergütet werden. Das schreckt viele kleine Büros ab.

 

Wie kann ein schrittweiser und skalierbarer Einstieg in BIM gelingen, ohne das Büro zu überlasten oder in eine technologische Sackgasse zu geraten?

Stephan Weber: Die langsame Einführung von BIM bei Projekten der öffentlichen Hand, wie auch von privaten Auftraggebern hat auch Vorteile. Sie bietet Büros die Chance, BIM zu „üben“, ohne gleich vertraglich festgelegte „perfekte“ Ergebnisse liefern zu müssen. 

 Jörg Thiele: Der Schlüssel ist: klein anfangen, aber strategisch planen. Büros können zunächst mit 3D-Modellen ohne vollständige Attributierung arbeiten. Auch der Einstieg über einzelne Anwendungsfälle ist sinnvoll – etwa im Entwurf oder bei der Mengenermittlung. Wichtig ist, die Nutzung offener Standards und interoperable Tools, um Abhängigkeiten von einzelnen Softwareanbietern zu vermeiden. Iteratives Lernen und dokumentierte Prozesse helfen dabei, Erfahrungen nachhaltig nutzbar zu machen.

 

Inwiefern fördern oder hemmen die Anforderungen öffentlicher Auftraggeber aktuell den BIM-Einsatz in Planungsbüros? Wo sehen Sie Handlungsbedarf in der Kommunikation und Vergabepraxis?

Jörg Thiele: Noch gibt es zu wenige BIM-Ausschreibungen der öffentlichen Hand – oft, weil auch dort die Digitalisierung erst beginnt. Hier sind Schulungen dringend notwendig. Gleichzeitig hemmt das die Planungsbüros, in den Ausbau von BIM-Kompetenzen zu investieren. Um hier die Bremse zu lösen, braucht es mehr öffentliche Nachfrage. Einige öffentliche Auftraggeber sind mittlerweile gut vorbereitet und dialogbereit. Andere überfrachten ihre Ausschreibungen mit übertriebenen Anforderungen, ohne selbst über das nötige Know-how oder ein klares Daten- und Prozessmodell zu verfügen. Hier wünsche ich mir grundsätzlich mehr digitale Kompetenz und Praxisaustausch. Außerdem braucht es ein klares Leistungsbild, das nicht nur BIM fordert, sondern definiert, wie BIM konkret umgesetzt werden soll. 

Stephan Weber: Im Hochbau bleiben BIM-Projekte der öffentlichen Hand bis auf wenige Pilotprojekte einige Vorreiter der Verwaltung die Ausnahme. Denn viele Bauverwaltungen haben ähnliche Herausforderungen wie Planungsbüros: fehlende Kapazitäten und finanzielle Ressourcen, unklare Zuständigkeiten und strukturelle Hemmnisse. Entsprechend mangelt es auch hier häufig an der erforderlichen Kompetenz, die ggf. durch generationsübergreifende Herausforderungen zusätzlich verstärkt wird.

 

Welche konkreten Vorteile entstehen durch den Einsatz von BIM – sowohl in der Projektabwicklung als auch im Wettbewerb um öffentliche Aufträge?

Stephan Weber: Die Vorteile im Büro sind offensichtlich: 

  • Standards führen zu höherer Effizienz.
  • Die Attribuierung von Objekten ermöglicht schnellere und bessere Auswertungen in Hinblick auf Kosten und Nachhaltigkeitskriterien.
  • Zukünftige planerische Anforderungen im Rahmen der neuen EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) und des Digitalen Gebäudelogbuches können ohne eine digitale Datenbasis nicht mehr erfüllt werden. Die entsprechende Leistungsfähigkeit der Büros und deren Referenzen werden künftig die entscheidenden Kriterien bei der Vergabe von Aufträgen sein.

Jörg Thiele: Außerdem wichtig: Durch BIM gewinnen wir mehr Transparenz, Planungssicherheit und ermöglichen eine bessere Koordination bei interdisziplinärer Arbeit. Das spart Zeit und reduziert Missverständnisse. Büros mit BIM-Erfahrung und strukturierten Arbeitsweisen haben einen klaren Wettbewerbsvorteil.

 

Wie wichtig ist die Einhaltung und Nutzung offener Standards (z. B. IFC, BCF) und die Orientierung an Normen wie der ISO 19650 oder der DIN EN 17412-1 im Alltag von Planungsbüros?

Stephan Weber: BIM lebt von der kollaborativen Zusammenarbeit. Grundlage dafür ist eine einheitliche Sprache. Ohne eine gewisse Standardisierung und Normierung funktioniert dieser Prozess nicht. Für „BIM light“ im Planungsbüro spielen diese Regelungen zunächst eine untergeordnete Rolle. Dennoch ist eine Orientierung an diesen Normen bei der Einführung von BIM-Prozessen alternativlos.

Jörg Thiele: Offene Standards sind insbesondere für kleine und mittelständische Büros unverzichtbar. Nur so bleiben sie flexibel und unabhängig von proprietären Softwarelösungen. Normen wie ISO 19650 schaffen zudem eine einheitliche Sprache und erleichtern die Zusammenarbeit. 

 

Welche Bedeutung messen Sie der Normungsroadmap BIM und vergleichbaren Initiativen bei, um praxistaugliche, standardisierte Rahmenbedingungen für Planungsbüros zu schaffen? 

Stephan Weber: Die Initiative, bereits vor Beginn der eigentlichen Normung und Standardisierung grundsätzliche Anforderungen zu definieren, ist entscheidend. So lassen sich Richtlinien flexibel anpassen.

Jörg Thiele: Genau. Die Normungsroadmap BIM ist hier ein wichtiger Meilenstein, weil sie aufzeigt, wo wir stehen und welche Handlungsfelder noch offen sind. Für uns in der Planung ist das eine Orientierung. Wir können Standards prüfen und unsere internen Prozesse daran ausrichten. 

 

Welche konkreten Angebote (z. B. Handreichungen, Schulungen, Beratungsformate) empfehlen Sie Planungsbüros, die BIM als Standard in ihrer Arbeitsweise verankern wollen? Und wie bewerten Sie den Beitrag von BIM Deutschland in diesem Kontext?

Stephan Weber: Kammern und Verbände bieten ein breites Angebot an Schulungen an, wie beispielsweise die Lehrgänge der „BIM Standard Deutscher Architekten- und Ingenieurkammern“. Auch externe Beratung kann die Einführung von BIM beschleunigen. BIM Deutschland nimmt hier mit dem BIM Portal des Bundes eine wichtige Rolle bei der Standardisierung der Planungs- und Prüfprozesse ein. In Zukunft sollte sich die Initiative noch mehr als zentrale Plattform für alle verstehen, die an der Wertschöpfungskette Bau beteiligt sind.

Jörg Thiele: BIM Deutschland leistet eine gute Grundlagenarbeit mit öffentlich zugänglichen Informationen und Vorlagen. Jetzt braucht es noch mehr niedrigschwellige, branchenspezifische Angebote für KMU (Kleine und Mittlere Unternehmen), bspw. ein gefördertes BIM-Coaching. Ich empfehle zudem Schulungsangebote in kleinen Gruppen oder mit direktem Projektbezug. Auch Peer-Learning-Formate oder regionale Netzwerke zum Beispiel im Rahmen der BIM - Cluster der Länder sind hilfreich. Förderprogramme  – z. B. durch KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) oder Landesinitiativen – sollten stärker genutzt werden.

 

Was möchten Sie Planungsbüros mitgeben, die aktuell noch vor dem Einstieg in die BIM-Arbeitsweise stehen – insbesondere mit Blick auf die kommenden Jahre und die zunehmende Digitalisierung öffentlicher Bauvorhaben?

Jörg Thiele: Wer jetzt beginnt, kann aktiv mitgestalten. BIM ist nicht die Zukunft – sondern die neue Gegenwart. Der Einstieg muss nicht perfekt sein: Wichtig ist, anzufangen, Erfahrungen zu sammeln und daraus zu lernen. Die öffentliche Hand wird künftig vermehrt BIM einfordern, und wer heute investiert, ist morgen besser aufgestellt. Machen Sie den ersten Schritt und bleiben Sie dran.

Stephan Weber: Haben Sie Mut zu Fehlern und Umwegen: Bilden Sie sich fort. Bringen Sie Software und Hardware auf BIM-Standard und entwickeln Sie eine BIM- und Datenstrategie und eigene Übungsprojekte. Fördern Sie den Austausch und führen Sie regelmäßige Schulungen durch. Und besonders wichtig: Setzen Sie auf junge und interessierte Mitarbeitende! „BIM light“ und die Festlegung entsprechender Standards ist die beste Grundlage für ein durchgängig vernetztes digitales Arbeiten.

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