In Wissenschaft und Forschung wird die Nachhaltigkeitsbewertung bereits heute als sechste Dimension in BIM einbezogen. In der Praxis hat sich das jedoch noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Dabei lassen sich Nachhaltigkeitsbewertungen durch die Verwendung von BIM deutlich effizienter gestalten, da Beteiligte Informationen wie Geometriedaten, Bauteilausrichtungen und Bauteileigenschaften direkt aus dem BIM-Modell in die Bilanzierungsprogramme exportieren können. Das ermöglicht auch detaillierte bauphysikalische Simulationen zur Prognose des Verhaltens von Bauteilen, Räumen und Gebäuden in der Analyse zu berücksichtigen.
Im Zentrum: Die Lebenszyklusanalyse
Zentraler Bestandteil der Nachhaltigkeitsbewertung ist die Kombination von BIM mit der Lebenszyklusanalyse (engl. Life Cycle Assessment, kurz: LCA) – auch Ökobilanz oder Ökobilanzierung genannt. Diese beschreibt, wie viele natürliche Ressourcen über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks benötigt werden, und beurteilt deren Umweltauswirkungen. Dadurch liefert sie eine systematische und standardisierte Datengrundlage, um ein Bauwerk hinsichtlich seiner Nachhaltigkeit zu bewerten und einzelne Entwurfsvarianten miteinander zu vergleichen.
Ablauf einer Lebenszyklusanalyse mit BIM
Im Vorfeld der Planung eines Bauwerks müssen Anwendende zunächst festlegen, wie oft und zu welchen Zeitpunkten die Lebenszyklusanalyse erfolgt. Außerdem müssen sie die Nachhaltigkeitskriterien festlegen, die in den unterschiedlichen Leistungsphasen erhoben werden. Eine Orientierung für Infrastrukturbauten bieten hier Kriterienkataloge wie die Bewertungssysteme der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) oder der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Um die Analyse anschließend mit BIM umzusetzen, sind bereits in frühen Planungsphasen maschinenlesbare, generische und allgemein zugängliche Datensätze erforderlich. Diese können Projektbeteiligte bei Umweltdatenbanken wie der Online-Baustoffdatenbank ÖKOBAUDAT kostenfrei abfragen.
Die Baustoffdatenbank ÖKOBAUDAT
Die ÖKOBAUDAT ist ein Angebot des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) und stellt die verbindliche Datenbasis für das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen dar. Aktuell enthält sie ökologische Kennzahlen für mehr als 1.400 Bauprodukte, die regelmäßig aktualisiert und geprüft werden. Die Datensätze können Anwendende für die LCA heranziehen, und so bereits in frühen Phasen der Planung Rückschlüsse über die Nachhaltigkeit der einzelnen Prozesse treffen.
Die Lebenszyklusanalyse mit BIM – ein iterativer Prozess
Da in den frühen Phasen eines Projekts noch keine konkreten Angaben in Bezug auf das verwendete Material vorliegen, basiert die LCA zu diesem Zeitpunkt in der Regel auf generischen Datensätzen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Analyse mehrfach während des gesamten Projekts durchzuführen, da mit voranschreitender Planung auch der Detaillierungsgrad der Datensätze zunimmt und tiefergehende Berechnungen ermöglicht. Erst zum Zeitpunkt der Objektüberwachung und -dokumentation liegt ein abschließendes Ergebnis vor, das in die Betriebsphase übertragen werden kann. Dennoch sollten Projektbeteiligte die Ergebnisse in allen Phasen auf Plausibilität prüfen, zum Beispiel mit Hilfe eines Referenzwertvergleichs, bevor sie diese in der gemeinsamen Datenumgebung (engl. Common Data Environment oder auch CDE) bereitstellen.